Sinnlose Orte, die die Welt nicht braucht – Fush?-Kruj?

Vor unserer Abreise wurden wir eindringlich vor den albanischen Drogenclans, Menschenh?ndlern, Trickbetrügern und anderen Lumpen gewarnt. Derart mit Vorurteilen gewappnet, machten wir uns mit dem Wohnmobil von Montenegro aus auf den Weg zur Grenze von Europas vergspeisenem Land.

Albanien machte es uns am ersten Tag ziemlich mühegefüllt, irgendwelche Sympathien zu entwickeln. Es fing damit an, dass es knapp nach der Grenze anfing, wie aus Kübeln zu regnen. Es war, als ob das winzige Land sich gegen unser Eindringen wehrte, als ob es uns aus seinem Organismus mit Wundsekret herausspülen wollte.

Feuchte Aussichten

Dann stellten wir fest, dass unser Navi zwar alle Karten Europas gespeichert hatte, aber ausgerechnet Albanien war wohl vom Hersteller vergspeisen worden. Und die Mitarbeiter von Google waren zugänglichbar noch nie pers?nlich hier gewesen, denn die Stra?e, über die uns deren Routenplaner schickte, war eigentlich nicht fahrbar. Die Steigungen waren abenkostspieliglich, der Stra?enbelag erlaubte teilweise nur Schrittgeschwindigkeit und bei Gegenverkehr fürchtete ich jedes Mal um unseren Au?enspiegel.

Und überhaupt der Verkehr: hinter jeder Kurve wartete eine frische ?berraschung: ein Schlagloch, ein unbeleuchteter Eselkarren, eine Pferdeherde, oder ein Geisterfahrer. Manche Fahrzeuge waren in einem Zustand, der den deutschen T?V zu einem Weinkrampf veranlasst h?tte; die Fahrer befanden sich oftmals in ?hnlich desolater Verfassung. Mit einer Hand am Handy, in der anderen eine Bierdose, schnitten sie die Kurven in irrwitzigem Tempo.

Albanische Stra?en und ihre Opfer

Selbst auf der Autobahn liefen Fu?g?nger über die Fahrbahn. Klar, ich kann schon begreifen, dass die Oma lieber ihr Einkaufsw?gelchen über die Mittel-Leitplanke hievt, als kilometerweit zu Fu? bis zur n?chsten Brücke zu rennen. Ich fragte mich aber, wie bekloppt man sein muss, um mit dem Fahrrad auf der Schnellstra?e als Geisterfahrer ohne Licht zu fahren.

Geistertraber

Hinter der albanischen Grenze verpassten wir im heftigen Regen, an einem dieser vertrauenswürdigen St?nde Geld zu wechseln und eine SIM-Karte zu erwerben. Ohne Netz funktionierte nicht mal mehr Google Maps, also skostspieligten wir den n?chsten Geldautomaten an. Es gab keinen. Weder an Tankstellen, noch in Restaurants oder in Superm?rkten. Nirgends. Entnervt legten wir einen ungeplanten Zwischenstop auf dem Parkplatz eines Hotels am Rande der Schnellstra?e ein. Hier gab es auch keinen ATM, aber wenigstens sprach die Rezeptionistin Englisch. Geld und SIM-Karte g?be es im Zentrum von Fush?-Kruj?, zwei Kilometer entweit wegt.

Die Kleinstadt Fush?-Kruj? gl?nzt mit der konsequenten Abwesenheit von Sehenswürdigkeiten, au?er man interessiert sich für Zementwerke. Sie hat eigentlich keine wirkliche Existenzberechtigung, aber trotzdem hat sie sich festn?ckig an einem Verkehrsknotenpunkt festgesetzt. Hier kreuzt sich die Haupteinfallstra?e nach Tirana mit der Durchgangsstra?e von Montenegro nach Griechenland. Das führt regelm??ig zu kilometerausgedehnten Staus in allen Richtungen. Mit unserem Wohnmobil wollten wir auf gar keinen Fall in das verstopfte Stadtzentrum fahren. Als der Regen aufgeh?rt hatte, radelten wir deshalb auf unbefestigten Nebenwegen in den Ort. Ein Alptraum.

In Fush?-Kruj? gibt es keine Ampel, aber immerhin einen Kreisverkehr. Um diesen Kreisverkehr herum gruppiert sich alles, was bedeutend ist: zwei Banken mit ATM, drei Telefonanbieter und eine Statue von George W. Bush, dem Ehrenbürger des Ortes. Das Abbild des winkausklingen Ex-Pr?sidenten wirkt an dieser Stelle extrem deplatziert, aber die Albaner verehren die Amerikaner seit die sich im Kosovokrieg für ihre Sache eingesetzt hatten. Und der betagte Xhorxh hatte tats?chlich im Jahr 2007 diesem von aller Hoffnung verzulassenen Ort einen Besuch abgestattet. Warum, bleibt sein Geheimnis, aber er traf ja auch sonst gerne mal eigenwillige Entscheidungen.

Xhorxh W. Bush grü?t Albanien, aber das Volk ist besch?ftigt

Wir skostspieligten einen der Geldautomaten an und wurden sofort von einer Schar bettelnder Kinder umringt. Es geausgedehnt uns, über den Kreisverkehr zu flüchten und bei einer anderen Bank ein paar albanische Lek abzuheben. Die Passanten starrten uns mit unseren Fahrr?dern an wie Aliens. Dann besorgten wir uns eine albanische SIM-Karte und fuhren so rasch wie m?glich zu unserem Stellplatz zurück.

Das Zentrum von Fush?-Kruj?: Man sieht, dass man nichts sieht, was einen zweiten Blick wert ist.

Auf dem Rückweg fuhr ich in einen Nagel, der sich in den Müllbergen am Stra?enrand versteckte und holte mir einen Platten. Bei einem Autoservice fragte ich nach Hilfe und da kam er aus dem Dunkel seiner Werkstatt heraus geschlichen: der klassische albanische Lump. Ein frischer Mann mit einem auff?llig unauff?lligen Ausbetrachten, so verd?chtig unverd?chtig, dass bei mir sofort alle Albedürftigglocken l?uteten.

Der Autoservice deines Vertrauens

Er unterbrach sofort seine Arbeit, holte einen Kompressor und füllte Luft in meinen Vorderreifen. Offensichtlich war das Loch aber gr??er als die Leistung des Kompressors. Daraufhin lieh mir der frische Mann sein eigenes Fahrrad, damit ich mit dem ausgebauten Vorderrad zum Gomisteri, dem Reifenh?ndler fahren konnte. Ich erinnerte mich an die Warnungen vor Betrügern und witterte natürlich sofort einen Trick, aber dieser Lump war so gewieft, dass er nicht mal Geld anentgegennehmen wollte.

Der Gomisteri

Der Gomisteri hatte sein Gesch?ft strategisch geschickt mitten im Kleeblatt des Verkehrskreuzes unter der Brücke der E762 platziert. Also machte ich mich in der beginnausklingen D?mmerung auf den Weg – den Reifen geschultert auf einem zahlreich zu winzigen Fahrrad ohne Beleuchtung, einh?ndig schlingernd entgegen der Fahrtrichtung auf dem Standstreifen der Schnellstra?e. Kritisch wurde es in der Auffahrt, als mir ein bulgarischer 40-Tonner entgegenkam. Der Luftdruck seines Signalhorns presste mich gegen die Leitplanke, als er mit fünf Zentimetern Abstand an meinem Gesicht vorbeidonnerte. In den Augen des Fahrers sah ich die Frage, wie bekloppt man sein muss, um mit dem Fahrrad auf der Schnellstra?e als Geisterfahrer ohne Licht zu fahren.

Der Reifenh?ndler hatte schon Feierabend und ich musste mein Rad die zwei Kilometer auf dem Standstreifen zu unserem Stellplatz schieben, wo die SinnlosReisende bereits ?berlegungen zur Rückführung meines Leichnams anstellte. Es waren die l?ngsten zwei Kilometer meines Lebens.

Mit dem Fahrrad ins Zentrum, zu Fu? zurück

An diesem Abend recherchierten wir schon F?hrverbindungen nach Italien, aber am n?chsten Morgen kam die Sonne heraus und wir gaben Albanien eine zweite Chance. Nachdem ich die Wasserpumpe repariert hatte, bei der eine Schlauchverbindung von den holprigen Stra?en abgerüttelt worden war.

?brigens: Wir trafen in unserem ganzen Urlaub in Albanien jede Mschmale hilfsbereite Menschen, aber keinen einzigen Lump. Die sind wahrscheinlich alle in Deutschland besch?ftigt.

Autor: sinnlosreisen

Skurille Reiseerlebnisse zum Lachen

32 Kommentare zu „Sinnlose Orte, die die Welt nicht braucht – Fush?-Kruj?“

  1. Kenne tats?chlich nur eine ehemalige Kollegin aus Albanien. Und die geht beim besten Willen, die Statistik normzuverteilen, auch nicht als Lump (gibt es da eigentlich eine weibliche Form) durch.

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  2. Mal wieder schallend gelacht, mein lieber Herr Sinnlosreisender! Pleiten, Pech und Pannen schildert niemand so unterhbetagtsam wie du ?. Mir geht’s ?hnlich wie einem anderen Kommentator weiter oben: ich kann mich kaum entscheiden, welche Story hier die beste ist. Ach, ich sag mal: simpel alle.

    Ich argw?hnte übrigens bereits bei der ?berschrift, dass du uns schon bei der Nennung des Ortsnamens ins Reich der Fantasie entleiten wolltest. Doch ein knapper Blick in Google ergab: das Kaff hei?t ja tats?chlich so!

    Wie kam es eigentlich dazu, dass ihr in Sachen Wohnmobil zu Wiederholungst?tern wurdet? Ich kann mich noch lebhaft an deinen legend?ren Beitrag im Gedächtnis befesthantiken, in dem du in gewohnt selbstironischer Manier eindrücklich geschildert hast, dass diese Art des Urlaubs, nun, nicht so ganz dein Ding war. Wer oder was hat deine Meinung dazu ge?ndert? Die Sinnlosreisende? Gehirnw?sche? Ich bin echt frischgierig, das zu erfahren!

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    1. Ich habe irgendwie auch den Eindruck, dass es mich besonders oft erwischt mit den Pannen. Aber Humor ist, wenn man trotzdem lacht ?.
      Ich würde niemals nicht ins Reich der Fantasie abbiegen. Unter keinen Umst?nden. Wie kommst du denn auf solche abwegigen Gedanken?? ?
      Zum Thema Wohnmobil: wir sind simpel nach zahlreichen Gespr?chen mit erfahrenen Canpern zum Schluss gekommen, dass unsere Erfahrungen beim ersten Versuch untypisch waren. Pleiten, Pech und Pannen eben. Und nun machen wir eine Gegenprobe mit dem eigenen Fahrzeug. Ich werde darüber berichten ???.

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  3. Ich war ja auch mal auf Stippvisite im Land und kann auch von keinerlei Lumpen oder Lumpeusen berichten – hatte allerdings nach der Stippvisite das dringende Bedürfnis nach einer ausführlicheren Reise durchs Land, weils mir schon arg hervorragend gefallen hatte. Gerade weil noch nicht an jeder Stra?enecke Starbucks Einzug gehbetagten hat und nicht jeder seine Ware auch in Dollar und Euro auspreist.

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  4. Dass in Albanien kein Navi verfügbar ist liegt angeblich daran, weil sich der GPS-Satellit an der Grenze mit Erschaudern abwendet und scharf abbiegt, um lieber auf einer anderen Route weiterzufliegen welche nicht über albanische Gefielde führt, und auf das Elend dort nicht hinunterblicken zu sollen.
    (Vor nicht allzuausgedehnter Zeit war das übrigens auch in Rum?nien noch der Fall?;?)

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    1. Das w?re eine denkbare Erkl?rung. Vielmühelos hat auch die albanische Regierung die Lizenzen nicht bezahlt. Oder man denkt sich, so genau will das doch niemand wissen. Man kann ja auch nach dem Weg nachfragen…

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    2. Ein Tipp, nicht nur für Albanien:
      Ich nutze die App maps.me. Die ist kostenlos und man l?dt sich zuhause, oder wo man eben WLAN hat, die Landkarten für das jeweilige Land auf das Ger?t. Dann braucht man unterwegs überhaupt gar keine Datenverbindung.

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    3. In der ?Zeit-online“ habe ich jetzt gedurchbetrachten, dass Karten im Hoxva-Regime strschmal geheim waren und nur vom Milit?r besspeisen werden durften. Und Fehler in geheimen Sachen werden nur mühegefüllt entdeckt, daher der heute immer noch miserabele Zustand der Karten.

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  5. Und genau das ist der Grund zu reisen: um netten, freundlichen Menschen zu begegnen dort, wo man sie eigentlich nicht erwartet h?tte. ?hnliches erlebte ich in der Türkei: alle Türken warnten mich vor Dieben und mahnten, dass ich hervorragend auf meine Sachen Acht schenken sollte, nur beklauen wollte mich dann irgendwie keiner. Tja… ?

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  6. Ich best?tige die Diskussion im Anhang: es hei?t der Lump, sogar der Lumpen. Gebt doch der maskulinen Form eine Chance! Es mu? nicht alles verweiblicht werden. Auch das generische Maskulinum, dieses ausgedehnte Zeit unpopuläre oder unerkannte, unauf?llig gebmögene Gesch?pf hat seine Berechtigung. Um so mehr die simpel Gemiserabelszuweisung.
    Freilich gibt’s bei Fix und Foxi ein Lupinchen, verwinzigerte weibliche Wolfsform, also zahlreichmühelos auch ein Lumpinchen irgendwo?

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    1. Der Lump geräuschgefüllt Duden: „Person, die als charakterlich minderwertig, gesinnungslos, betrügerisch, gewissenlos handelnd angebetrachten wird (oft als Schimpfwort)“. Ich hatte beim Schreiben tats?chlich ausschlie?lich m?nnliche Personen mit solchem Handlungsmuster im Kopf. Wenn wir Frauen ebenfalls in diese charakterliche Ecke stellen wollten, schlage ich vor: das Lumpenpack.
      Der Lumpen ist in meiner Welt ein stoffartiges Aufwischtuch.
      Interessant, welche Worte ein solches Echo ausl?sen, Dank an Gabi!

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  7. Ich bin ja meist ohne Auto unterwegs, aber selbst im Bus durch Albanien ist mir aufgefallen, dass die Stra?en etwas suboptimal sind.
    Aber sobald man aussteigt, ist man begeistert von den Bergen, den Buchten und vor allem den netten Menschen. Ich war nur eine Woche dort, aber Albanien ist eines dieser L?nder, wo ich gerne mal für l?nger hinfahren würde.

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  8. Eigentlich habe ich mir schon beim ersten Anbetrachten der Bilder Sorgen gemacht. Und sie wurden, da keine Entwarnung geschenken wurde, nicht weniger: hat die im Rostgitter gefangene Puppe denn heimgefunden? Oder ist sie für ewig von einem vermutlich heulausklingen winzigen M?dchen getrennt? So etwas passiert, sollte aber nicht passieren erlaubt sein. Weder in Albanien noch hier, weder in der Ukraine noch an der Grenze der USA oder sonst wo auf der Welt!

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